Frank Bertsch

Frank Bertsch

* 03.01.1937
† 12.08.2020
Erstellt von General-Anzeiger Bonn
Angelegt am 12.09.2020
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Kondolenz

Nachruf auf Frank Bertsch

11.11.2020 um 11:03 Uhr von Dieter Korczak

Ich habe Frank Bertsch 1979 auf einer Veranstaltung des Bonner Montag-Club für politische und gesellschaftliche Kontakte kennen gelernt. Hannelore Fuchs, eine der Gründerinnen des Montag-Clubs hatte mich eingeladen, über Wohngemeinschaften und Wohnungsgenossenschaften zu sprechen. Nach meinem Vortrag sprach mich ein Mann mit einem eigenwilligen Kinnbart an: es war Frank Bertsch.

Zehn Jahre später traf ich ihn in einem anderen Kontext wieder, nämlich als Ministerialrat. Gemeinsam mit Prof. Dr. Strempel (BMJ) hat er mich und Gabriela Pfefferkorn nach einem Auswahlwettbewerb mit der Durchführung des Gutachtens „Überschuldungssituation und Schuldnerberatung in der Bundesrepublik Deutschland“ beauftragt.

Die Themen Stadt- und Familienpolitik sowie finanzielle Fragen des Haushalts und der Schuldnerberatung haben ihn bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 nicht los gelassen.

Vor allem die Entwicklung der Schuldnerberatung ist in Deutschland untrennbar mit seinem Namen verbunden. Er hat seine Aufgaben im Referat „Wirtschaftliche Fragen der Familienpolitik“ des BMFuS (später:BMFSFJ) so definiert, dass es ihm möglich war, Überschuldungsforschung über öffentlichen Ausschreibungen zu finanzieren und die Anfang der 90er Jahre sehr diverse Landschaft der Schuldnerberatung zu vernetzen. Durch die von seinem Referat in Auftrag gegebenen Studien wurden von 1990 bis 2002 kontinuierlich Zahlen über die Anzahl überschuldeter Haushalte ermittelt, die in mehreren Großen und Kleinen Anfragen im Bundestag verwendet wurden.

Im Rahmen der Armutspräventionsprojekte hat er die Gründung der Einkommens- und Budgetberatung Rostock stark unterstützt. Auf seine Initiative geht auch der Ratgeber „Was mache ich mit meinen Schulden?“ mit integriertem Verzeichnis der Schuldnerberatungsstellen zurück, der 1990 zum ersten Mal erschien und heute als Online-Dokument des BMFSFJ verfügbar ist.

Frank Bertsch hat immer dafür plädiert, dass die Interessen der Schuldnerberatung durch eine starke Stimme vertreten sein sollten. Nicht zuletzt durch diesen nachhaltigen Appell ist es im Jahr 2000 zur Gründung der AG SBV gekommen. Er hat „Schuldnerberatung als Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Integration“ gesehen, so lautet ein Beitrag von ihm in der BAG-SB Info 3/2012. Beratung und Bildung gehörten für ihn, der aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammte, zusammen. Es war daher nur konsequent, dass er zu den Gründungsmitgliedern des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz im Jahr 2004 gehörte.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium äußerte er sich regelmäßig als Publizist. Seine Sichtweise des Zusammenhangs von Bildung und Beratung hat er kurz vor seinem 80. Lebensjahr in dem Beitrag „Lange Linien der wirtschaftlichen Bildung und Beratung privater Haushalte in der Bundesrepublik“ (HuW 2/2014) zusammengefasst.

Frank Bertsch hat drei verschiedenen Ministerinnen gedient, zwei davon (Hannelore Rönsch, Claudia Nolte) waren von der CDU. Das war für ihn als SPD-Mann, der seine politische Karriere als Referent von Karl Schiller begonnen hatte, nicht einfach. Ich kann mich entsinnen, dass er mich bei einem meiner Gutachten gebeten hat, dass „wording“ etwas zu glätten, damit das Gutachten auch für CDU-Leute akzeptabel sei. Der durch die politischen Machtverhältnisse bewirkte langjährige Stress führte womöglich auch dazu, dass der an sich sehr charmante Frank Bertsch manchmal knorrig wirkte und ruppig agierte. Doch das schmälert seinen Gesamteindruck und sein Lebenswerk nicht.

Er war gebildet und anregend, sprach fließend französisch, liebte den Wein und die Musik, war immer engagiert und hat immens viel für die Schuldnerberatung, die Armuts- und finanzielle Prävention und die Überschuldungsforschung getan.

Er ist am 12. August 2020 im Alter von 83 Jahren verstorben. Mit ihm ist eine Persönlichkeit von uns gegangen, eine beispielhafte Figur für gesellschaftliches und politisches Engagement. Ich sehe niemanden, der bislang im politisch-administrativen Raum an seine Stelle getreten ist.

Dr. Dieter Korczak