Martin Walser

* 24.03.1927 in Wasserburg
† 28.07.2023 in Überlingen

Angelegt am 30.07.2023
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Über den Trauerfall (1)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Martin Walser, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Martin Johannes Walser

30.07.2023 um 12:18 Uhr von Redaktion


Leben


Walsers Eltern betrieben die Bahnhofsrestauration und eine Kohlenhandlung in Wasserburg am Bodensee. Das Milieu seiner Kindheit wird im Roman Ein springender Brunnen geschildert. 1938 bis 1943 besuchte er die Oberrealschule in Lindau; dann wurde er als Flakhelfer eingezogen. Am 30. Januar 1944 beantragte Walser die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 20. April desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 9.742.136. Walser bestritt jedoch entschieden, jemals einen Aufnahmeantrag ausgefüllt zu haben. Nach dem Reichsarbeitsdienst erlebte er das Ende des Zweiten Weltkrieges als Soldat der Wehrmacht.

Nach Kriegsende machte er 1946 in Lindau am Bodensee-Gymnasium das Abitur und studierte dann an der Philosophisch-theologischen Hochschule Regensburg und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie. 1950 heiratete er Katharina „Käthe“ Neuner-Jehle. Aus dieser Ehe gingen die Töchter Franziska, Johanna, Alissa und Theresia hervor. Mit Maria Carlsson, der damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, hat er außerdem einen Sohn, nämlich Jakob Augstein. Er war zudem Schwiegervater des Schriftstellers Sascha Anderson, der mit seiner Tochter Alissa verheiratet ist, und des Schauspielers Edgar Selge, verheiratet mit seiner ältesten Tochter Franziska.

Während des Studiums begann Walser 1949, für den neu gegründeten Süddeutschen Rundfunk SDR als Reporter zu arbeiten und Hörspiele zu schreiben. Eine zwischenzeitliche Festanstellung beim SDR ermöglichte ihm 1951 die Promotion in Tübingen mit einer Dissertation über Franz Kafka. Zusammen mit Helmut Jedele bildete er den Kern der „Genietruppe“ des Stuttgarter Hörfunks und baute als freier Mitarbeiter den Fernsehbereich des Senders mit auf. Er führte Hörspielregie und wirkte 1953 am Buch der ersten Fernsehfilmproduktion des deutschen Nachkriegsfernsehens mit. Parallel dazu vertiefte er als Rundfunkredakteur und Autor seine Kontakte zur Literaturszene.

Ab 1953 wurde Walser regelmäßig zu den Tagungen der Gruppe 47 eingeladen, die ihn 1955 für die Erzählung Templones Ende auszeichnete. Sein erster Roman Ehen in Philippsburg erschien 1957 und wurde ein großer Erfolg. Walser lebte von da an mit seiner Familie als freier Schriftsteller erst in Friedrichshafen und dann in Nußdorf am Bodensee.

In den 1960er Jahren setzte sich Walser, wie Günter Grass und andere, vor allem linke Intellektuelle, für die Wahl von Willy Brandt zum Bundeskanzler ein. 1964 war er Zuhörer beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Er engagierte sich gegen den Vietnamkrieg, reiste nach Moskau und galt auch seinem Verleger Siegfried Unseld in den 1960er und 1970er Jahren als Sympathisant der DKP, der er aber nie als Mitglied angehörte; er war mit Ernst Bloch, Robert Steigerwald u. a. befreundet. 1988 hielt Walser im Rahmen der Reihe Reden über das eigene Land eine Rede, in der er deutlich machte, dass er die deutsche Teilung als schmerzende Lücke empfand, mit der er sich nicht abfinden wollte. Diesen Stoff machte er auch zum Thema seiner Erzählung Dorle und Wolf. Auch wenn Walser ausdrücklich betonte, dass sich seine Haltung über die Zeit nicht verändert habe, sprechen einige Beobachter von einem Sinneswandel des Autors.

Eine in Verlagsverträgen ungewöhnliche Klausel ermöglichte es Walser, nach dem Tod von Siegfried Unseld mit allen seinen Werken 2004 vom Suhrkamp Verlag zum Rowohlt Verlag zu wechseln. Insbesondere spielte laut eigener Aussage dabei die fehlende Positionierung des Verlags im Streit um seinen umstrittenen Roman Tod eines Kritikers eine Rolle. Walser hatte in diesem Zusammenhang den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki einerseits als Person und andererseits als Symbol einer angeblich unredlichen Kulturszene angegriffen. Unter anderen Frank Schirrmacher kritisierte diesbezüglich ein „Spiel mit antisemitischen Klischees“.

Walser war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Sächsischen Akademie der Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und des PEN-Zentrums Deutschland.

Das Literaturhaus München zeigte 2005 die von Armin Kratzert und Jörg Magenau kuratierte Ausstellung „Martin Walser. Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr“.

Im Jahr 2007 gab Walser einen Großteil seiner Manuskripte als Vorlass an das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Teile davon sind im Literaturmuseum der Moderne in Marbach in der Dauerausstellung zu sehen, dazu gehören die Manuskripte von Ehen in Philippsburg, Das Einhorn und Ein springender Brunnen.

2009 gab Jakob Augstein bekannt, dass Martin Walser sein leiblicher Vater sei, was er 2002 nach dem Tod von Rudolf Augstein durch seine Mutter erfuhr. Walser und Augstein trafen sich seither häufig. Über die späte Vaterschaft merkte Walser 2017 an: „Ich hab nur gemerkt, dass diese Besuchsvaterschaft ein Immer-zu-wenig war“.

Zu Walsers 90. Geburtstag sendete die ARD eine 90-minütige Dokumentation mit dem Titel „Mein Diesseits – Unterwegs mit Martin Walser“ Buch und Regie Frank Hertweck, in der Denis Scheck gemeinsam mit Martin Walser die wichtigen am Bodensee gelegenen Stationen dessen Lebens besucht, wie etwa sein Geburtshaus, das heute eine Ballettschule ist.

Er war Erstunterzeichner des in der Zeitschrift Emma veröffentlichten offenen Briefs an Bundeskanzler Scholz vom 29. April 2022, der sich aus Sorge vor einem Dritten Weltkrieg im Kontext des Ukraine-Konflikts gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht.

Walser war bis zuletzt unermüdlich produktiv. Auch in seinem letzten Lebensabschnitt „legte er Jahr für Jahr einen neuen Roman vor.“

Im Juli 2022 überließ Walser den aus Entwürfen, Manuskripten und Übersetzungen seiner erzählerischen, dramatischen und essayistischen Werke sowie 75 Tagebüchern bestehenden Vorlass dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar.

Martin Walser starb am 28. Juli 2023 im Alter von 96 Jahren in seinem Zuhause in Nußdorf, einem Stadtteil von Überlingen am Bodensee.

Literarisches Werk
Ein immer wiederkehrendes Motiv Walsers ist das Scheitern am Leben: Seine Helden sind den Anforderungen, die ihre Mitmenschen an sie oder sie selbst an sich stellen, nicht gewachsen; der innere Konflikt, den sie deswegen mit sich austragen, findet sich in allen großen Walser-Romanen wieder. Dass die Kämpfe nur in der Seele seiner Helden brodeln, während die äußere Handlung meist Nebensache bleibt, macht Martin Walser zu einem typischen Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur wie Heinrich Böll, Peter Handke oder Siegfried Lenz und setzt ihn in Gegensatz zur angelsächsischen Literaturtradition, in der das Vorantreiben einer äußeren Handlung weit bedeutender ist.

Auch am Theater hatte Walser Erfolg. Bereits sein erstes Stück Der Abstecher hatte in den 1960er Jahren über fünfzig Inszenierungen. Eiche und Angora war eine erste künstlerische Auseinandersetzung Walsers mit der Zeit des Nationalsozialismus. Wie in der schwäbischen Groteske laut Hellmuth Karasek „mit dem Entsetzen Scherz getrieben“ wurde, führte zu einer kontroversen Aufnahme in der Kritik, jedoch auch zu einem ersten internationalen Theatererfolg in Wien, Zürich, Basel, Rotterdam, Skopje, Edinburgh und über ein Jahr lang ununterbrochen in Paris.

Marcel Reich-Ranicki lobte den Autor im September 1963 mit den Worten: „Walsers frühe Geschichten sind zeitkritische Diagnosen und Proteste gegen einen Zustand, der das Individuum an seiner Entfaltung hindert, es verkümmern läßt und zugrunde richtet. Dies gilt ebenso für Walsers spätere Prosa. Wenn auch mit anderen Mitteln, so demonstriert er immer wieder an den Schicksalen verschiedener Gestalten die Absurdität eines Daseins, in dem der Mut eines Sparkassenräubers eigentlich für jeden Beruf unentbehrlich wird. Und er tut dies in dem Bewußtsein der eigenen Ohnmacht.“

Der Literaturkritiker Martin Ebel nannte in seinem Nachruf den Roman Ein liebender Mann 2008 als einen der gelungensten im „überbordend umfangreichen“ Werk des Autors, neben Ehen in Philippsburg, seinem Erstling, 1957, Brandung 1985, Die Verteidigung der Kindheit 1991, Ein springender Brunnen 1998 und Der Lebenslauf der Liebe 2001.

Kontroversen


Streit mit der Deutschen Bank
Im Vorfeld eines Prozesses, den der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank Hermann Josef Abs gegen den DDR-Historiker Eberhard Czichon und dessen westdeutschen Verleger Manfred Pahl-Rugenstein wegen mehrerer falscher Tatsachenbehauptungen zu Abs’ Tätigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus führte, veröffentlichte Walser am 24. August 1970 im Spiegel eine ausführliche Rezension der Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Bank. Darin empfahl er Czichons Buch, rechtfertigte die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus und kritisierte, dass die Festschrift die demokratisch nicht legitimierte Macht der Bank verharmlose: „Ist die Deutsche Bank naiv?“ Die Presseabteilung der Deutschen Bank erzwang eine Gegendarstellung. Am 14. September 1970 polemisierte Vorstandsmitglied Wilhelm Vallenthin unter der Überschrift „Ist Martin Walser naiv?“ dagegen, dass dieser sich über die Kontinuität der Banktätigkeit über alle Regimewechsel der deutschen Geschichte hinweg mokiert hatte: Eine Bank sei nun einmal ein Dienstleistungsunternehmen, das bei einem Regierungswechsel ja wohl nicht seine Tätigkeit einstellen könne. Walsers Darstellung sei „Leninismus reinsten Wassers“, eine Verständigung mit ihm sei daher nicht möglich.

Paulskirchenrede 1998


Als Walser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede hielt, in der er eine „Instrumentalisierung des Holocaust“ ablehnte, kam es zu kontroversen Diskussionen und teilweise auch zu Protesten.

„Jeder kennt unsere geschichtliche Last, die unvergängliche Schande, kein Tag, an dem sie uns nicht vorgehalten wird. Könnte es sein, daß die Intellektuellen, die sie uns vorhalten, dadurch, daß sie uns die Schande vorhalten, eine Sekunde lang der Illusion verfallen, sie hätten sich, weil sie wieder im grausamen Erinnerungsdienst gearbeitet haben, ein wenig entschuldigt, seien für einen Augenblick sogar näher bei den Opfern als bei den Tätern? Eine momentane Milderung der unerbittlichen Entgegengesetztheit von Tätern und Opfern. Ich habe es nie für möglich gehalten, die Seite der Beschuldigten zu verlassen. Manchmal, wenn ich nirgends mehr hinschauen kann, ohne von einer Beschuldigung attackiert zu werden, muß ich mir zu meiner Entlastung einreden, in den Medien sei auch eine Routine des Beschuldigens entstanden. Von den schlimmsten Filmsequenzen aus Konzentrationslagern habe ich bestimmt schon zwanzigmal weggeschaut. Kein ernstzunehmender Mensch leugnet Auschwitz; kein noch zurechnungsfähiger Mensch deutelt an der Grauenhaftigkeit von Auschwitz herum; wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Ich möchte verstehen, warum in diesem Jahrzehnt die Vergangenheit präsentiert wird wie noch nie zuvor. Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf die Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube, entdecken zu können, daß öfter nicht mehr das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Immer guten Zwecken, ehrenwerten. Aber doch Instrumentalisierung. … Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets ….“

– Martin Walser: Rede in der Paulskirche am 11. Oktober 1998


Die von manchen als sprachlich kompliziert empfundenen Äußerungen Walsers wurden oft wie folgt interpretiert: Die nationalsozialistischen Verbrechen würden von einigen Leuten dazu missbraucht, politische und finanzielle Forderungen gegen Deutschland zu stützen. Auch fühle derjenige, der ständig diese Verbrechen thematisiert, sich den Mitmenschen moralisch überlegen. Der Themenkomplex Auschwitz dürfe aber nicht zur „Moralkeule“ verkommen, gerade wegen seiner großen Bedeutung. Die Rede wurde auch als Reaktion auf die Kritik Marcel Reich-Ranickis an Walsers Buch Ein springender Brunnen gewertet. Reich-Ranicki hatte bemängelt, dass Auschwitz in dem Buch, dessen Handlung in der NS-Zeit spielte, nicht erwähnt werde.

Walser hatte in seiner Rede auch die Begnadigung des verurteilten DDR-Spions Rainer Rupp gefordert. Dies wertete Lars Rensmann als Teil der von Walser propagierten „nationalen Selbstversöhnung“ der Deutschen: So wie Walser in seiner Rede einen Schlussstrich unter das Gedenken an den Holocaust ziehen wollte, so wollte er auch mit Rupp die DDR begnadigt sehen.

Nach Walsers Rede war im Anschluss allgemein von den Anwesenden stehend applaudiert worden, mit Ausnahme des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis, dessen Frau Ida und Friedrich Schorlemmers. Bubis warf Walser später vor, „wegsehen“ zu wollen, und bezeichnete die Rede als „geistige Brandstiftung“. Letzteres nahm Bubis später zurück. Ferner wurde Walser vorgeworfen, dass rechte Revisionisten, die dieses brisante Thema abblocken wollten, sich auf ihn berufen würden. Walser hielt dieser Kritik entgegen, dass er keine politische Instrumentalisierung seiner „sehr persönlichen Ansicht“ beabsichtige und nur von seinem subjektiven Empfinden gesprochen habe.

Bei einem im Dezember 1998 von der FAZ organisierten Treffen mit Bubis erhob Walser den Vorwurf der „Dauerpräsentation unserer Schande“ und eines „grausamen Erinnerungsdienst es“ nicht mehr gegen „Meinungssoldaten“ und „die Medien“, sondern laut Matthias N. Lorenz gegen die Opfergruppe selbst. Walser sagte an Bubis’ Adresse gerichtet, „ich war in diesem Feld = der bundesrepublikanischen Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt, da waren Sie noch mit ganz anderen Dingen beschäftigt.“ Ferner bezeichnete Walser Bubis’ Äußerungen zu den rechtsextremen und rassistischen Übergriffen in Deutschland Anfang der 1990er Jahre als „sofort zurückgebunden an 1933“.

2015 erklärte er in einem Spiegel-Interview, er habe nicht eine Instrumentalisierung von Auschwitz im deutsch-jüdischen Verhältnis gemeint, sondern eine in der deutschen Tagespolitik, so wie sie z. B. von Günter Grass in seiner Ablehnung der Deutschen Wiedervereinigung oder von Joschka Fischer in seiner Befürwortung der deutschen Intervention im Kosovokrieg praktiziert wurde. Er bedauerte, die Rede so gehalten und Bubis damit getroffen zu haben.

Im Januar 2017 hielt der Vorsitzende der AfD Thüringen Björn Höcke eine Rede im Ballhaus Watzke in Dresden, in der er sagte: „Wir Deutschen … sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Anschließend forderte Höcke eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Die Rede löste in Medien und Politik Protest und heftige Reaktionen aus. Detlef Esslinger schrieb in der Süddeutschen Zeitung: „Genau das ist der Unterschied zu Martin Walsers Paulskirchen-Rede von 1998, in deren Kontinuität Höcke sich stellt. Walser erkannte damals ,unsere unvergängliche Schande‘ wenigstens an, bevor er gegen die Erinnerungskultur polemisierte.“ Der Sozial- und Politikwissenschaftler Samuel Salzborn meinte 2018, Martin Walser habe in seiner Paulskirchen-Rede „etwas ganz Ähnliches gesagt, was Björn Höcke mittlerweile auch formuliert“, wofür Höcke jedoch „zu Recht scharf kritisiert“ worden sei, wohingegen die Reaktionen auf Walsers Rede „eher ambivalent“ gewesen seien.

Haltung zum Judentum
Nach den Debatten um die Paulskirchenrede wurde die angebliche oder tatsächliche Zuwendung Walsers zur „bürgerlichen“ Seite erneut zum öffentlichen Thema, als er bei der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth als Gastredner auftrat. Als er in seinem 2002 erschienenen Schlüsselroman Tod eines Kritikers den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki einerseits als Person und andererseits als Symbol einer angeblich unredlichen Kulturszene kritisierte, gab es Proteste. Frank Schirrmacher kritisierte daraufhin sein „Spiel mit antisemitischen Klischees“. Reich-Ranicki kommentierte im Mai 2010 in einem Interview des Spiegel:

„Ich halte ihn nicht für einen Antisemiten. Aber es ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Kritiker, der ihn angeblich am meisten gequält hat, auch noch Jude ist. Er rechnet damit, dass ihm sein Publikum darin folgt. Sehen Sie, es hat von Grass nie eine antisemitische Zeile oder Bemerkung gegeben, keine einzige. Und über dessen Bücher habe ich gewiss nicht nur positiv geschrieben.“

Der Kulturwissenschaftler Matthias N. Lorenz hat Walsers Lebenswerk in seiner Dissertation „Auschwitz drängt uns auf einen Fleck“ auf die Darstellung von Juden bzw. den Auschwitzdiskurs untersucht. In seiner Arbeit dokumentiert er das durchgängige Vorkommen der bekannten antisemitischen Stereotype. Das Leiden der Juden werde deutlich dem Leid „Deutscher“ gleichgestellt. Häufig finde sich die einfühlsame Darstellung Deutscher, die sich als „Verlierer der Geschichte“ fühlten: würdelos, stigmatisiert, ihrer Identität beraubt.

 

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin wurde von Walser während der Planungsphase abwertend als „fußballfeldgroßer Albtraum im Herzen der Hauptstadt“ und „Kranzabwurfstelle“ bezeichnet; nach der Fertigstellung dagegen äußerte er sich positiv zum Denkmal.

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